BL1: VfL Wolfsburg – BTSV 0:2 (0:1)
Arena im Allerpark, Wolfsburg |
Nein, es ist kein Derby, das tragen wir einzig und allein gegen den Feind aus Hannover aus. Aber unbestreitbar ist das Spiel VfL Wolfsburg – BTSV etwas Besonderes. Als 1993 der BTSV aus der zweiten Liga abstieg, woran auch die beiden Niederlagen gegen Liganeuling Wolfsburg ihren Anteil hatten, spätestens da war der VfL nicht mehr der knuffige Nachbar.
Seitdem ist viel geschehen, der BTSV musste erstmal gefühlte Ewigkeiten in der Oberliga, dann Regionalliga und schließlich Dritter Liga verbringen, um seine Seele von den Sünden der Vergangenheit reinzuwaschen.
Derweil investierte der Verein des Autobauers Millionen und Abermillionen, um das Marketingwerkzeug in Gang zu bringen, was auch schnell gelang und in dem Aufstieg in die Bundesliga, der Teilnahme am Pokalfinale und schließlich der Deutschen Meisterschaft 2009 gipfelte. Dereinst wird auch der VfL Wolfsburg für diese Sünden teuer bezahlen. Und heute sollte bereits eine Anzahlung geleistet werden.
Es gab die unterschiedlichsten Wege, die wir hätten einschlagen können, um in die Stadt des KdF-Wagens zu gelangen. Die spektakulärste war sicherlich die Tour mit dem Dampfer auf dem Mittellandkanal. Nur die Sorge, das dort Irgendetwas geschehen könnte, was die Teilnahme an dem Fußballspiel am 8.11. gefährden könnte, ließ mich von der Sause Abstand nehmen.
Als Alternative wurde die morgendliche Anreise per Ballerbahn nach Gifhorn gewählt und dort erstmal ein kleiner Mettigel vernichtet, ehe es mittags dann nach Wolfsburg weiterging. Im Zug bereits eine große Anzahl Grün-Weißer und eine noch größere Anzahl Blau-Gelber.
In WOB angekommen durften wir uns erstmal in einem Polizeikessel sammeln – sehr unschön, wurden doch erstens sämtliche Ankündigungen, dass es Toiletten und Verpflegung geben würde, nicht eingehalten, und zweitens der Durchgang zu den auf der gegenüberliegenden Straßenseite wartenden Fanclub-Kollegen verweigert. Drittens goss es in Strömen.
Nach einiger Zeit setzte sich der Marsch in Bewegung, bei dem Schietwetter kein echtes Vergnügen, die Polizei konnte erneut durch Planlosigkeit, Willkür und Unverschämtheit glänzen. Das dann Flaschen fliegen, mag eine logische Konsequenz sein, ist aber dennoch nicht zu entschuldigen.
An der Arena am Allerpark angekommen, dann die nächste Verarsche, wurde doch dort eine Art “Fanmeile” versprochen, wo man sich gegen Bargeld verpflegen können würde. Diese “Fanmeile” bestand aus drei traurigen Buden, die zudem nur Kartenzahlung boten. Jedwelche Bezahlkarten werden von mir grundsätzlich boykottiert, also kein Konsum vor der Arena – innen drin ja ohnehin nicht.
Das Betreten des Betonmonstrums dann problemloser als befürchtet, der Gästeblock wusste durch einen Zaun vor der Nase und blöde Variositze nicht zu gefallen.
Der Heimanhang hatte sich für heute ordentlich ins Zeug gelegt und die Heimfans in grüne und weiße Müllsäcke gesteckt. In den vergangenen Tagen waren schon diverse Schmierereien in Braunschweig aufgetaucht (bitte mal am Style arbeiten, ihr kleinen Gangster) und wir wurden im Stadion durch eine Tapete willkommen gehießen:
Nun ja, kann man einem Bundesliga-Gründungsmitlied ja mal um die Ohren hauen. Wenn das mal nicht nach hinten los geht.
Zum Intro gabs dann von den Wölfis eine zugegebenermaßen recht schicke Choreographie über beide Ränge.
Das Spiel begann und der BTSV von Beginn an recht engagiert, nachdem ja das letzte Spiel mit einer bitteren Heimklatsche beendet wurde und die Journaille bereits den Rücktritt Torsten Lieberknechts kolportierte.
Wie gesagt, Braunschweig engagiert, aber WOB auch sackstark, was schon das ein oder andere Mal zur Schnappatmung führte. Ging aber alles gut, Davari hielt den Kasten sauber und auch die Vorderleute waren stets auf dem Posten.
Nach der ersten strittigen Szene durch Schiri Winkmann, glaubte WOB, sich dadurch hervortun zu müssen, eine weitere Tapete zu präsentieren – warten wir mal ab, wann an der Aller das nächste Mal mit dem Unparteiischen gehadert wird.
Das Spiel war eine halbe Stunde alt, als Bole allein auf Benaglio zulief, statt alleine abzuziehen aber uneigennützig auf Bellarabi passte, der den Ball locker ins Tor schob. 1:0 für den BTSV. Geht doch!
Während der Anhang des VfL zu Beginn wenigstens noch ab und an mal das Maul aufbekam, um den großen Nachbarn zu beschimpfen, wurde es doch jetzt in der Heimkurve leise. Der Rest des Stadions – auch das war beim Tor gut zu erkennen – ohnehin zu großen Teilen Blau und Gelb. Ãœbrigens auch die VIP-Loungen, was ich dann ja mal richtig geil finde.
So ging es also entspannt in die Pause, vom Heimanhang konnte man quer über den Platz mitbekommen, dass er die Hosen gestrichen voll hatte – waren doch beim Abschlusstraining sogar ein paar Fans aufgetaucht und heute hatte es gar einen “Fanmarsch” gegeben. Und nun lag man zurück. Das wird Montags im Werk ja lustig werden.
Nach Wiederanpfiff gab’s dann das nächste lustige Spruchband:
Nun, richtig ist, dass unsere letzten Pflichtspielauftritte außerhalb der Bundesgrenzen schon über dreieinhalb Dekaden zurückliegen und der VfL zwischenzeitlich das ein oder andere Spiel in europäischen Wettbewerben gemacht hat. Wir konterten das jedenfalls mit dem üblichen “EUUU-ROPA-POKAAAAAL”.
Auf dem Feld war Wolfsburg verzweifelt bemüht, den Ausgleich zu erzielen, was dem BTSV die ein oder andere Kontermöglichkeit bot.
Zur 67. Minute dann bei uns die übliche Reminiszenz an die Deutsche Meisterschaft der Eintracht, was dann zur letzten Tapete in der Heimkurve führte, auch wenn die Wolfsburger Hinchas wie üblich Probleme hatten, ihr Ding hochzukriegen:
Gibt einem natürlich auch einen schönen Einblick in die Werte, Normen und Altersstruktur der Wolfsburger Szene, sowas.
Wie dem auch sei, die Löwen erlösten den waidwunden Wolf in der 86. Minute, als Kumbela mit seinem ersten Bundesligatreffer das vorentscheidende 2:0 erzielte.
Das Stadion am Durchdrehen, alles, was Blau-Gelb war, feierte, wohingegen ein großer Teil der Fehlfarben bereits das heimische Stadion verließ, so dass man die letzten paar Minuten unter sich war. War auch mal schön, muss auch mal sein.
Der Rückweg dann wieder durch den Regen, Getränke gabs natürlich nirgends, dafür versuchten Wolfsburger Rentner, die unter Polizeischutz und über einer Unterführung standen, den Braunschweiger Anhang anzurotzen. Großes Kino!
Per Sonderzug ging es dann nach Braunschweig zurück, wo der Bahnhofskiosk um ein paar Büchsen Wolters erleichtert werden wollte, die man gleich vor Ort trank. Immerhin gab es für mich den ersten Bundesligasieg seit 10.430 Tagen und den ersten Bundesligaauswärtssieg ever zu begießen.
Liebe Wolfsburger, vielen Dank für diesen feinen Schnupperkurs. Hat uns gut gefallen. Wir bleiben dann wohl länger in der Bundesliga.
Ach so, eins noch: Ewige Tabelle, Ihr Arschgeigen!
VFL WOLFSBURG: Diego Benaglio – Christian Träsch, Ronaldo “Naldo” Aparecido Rodrigues, Robin Knoche, Ricardo Rodriguez – Luiz Gustavo Dias, Jan Polak (Daniel Caligiuri, 59′) – Ja-Cheol Koo, Diego Ribas da Cunha, Marcel Schäfer (Ivan Perisic, 46′) – Ivica Olic (Stefan Kutschke, 70′). TRAINER: Dieter Hecking
BTSV: Daniel Davari – Omar Elabdellaoui, Ermin Bicakcic, Deniz Dogan, Ken Reichel – Marco Caligiuri, Norman Theuerkauf, Timo Perthel (Torsten Oehrl, 80′) – Karim Bellarabi (Dennis Kruppke, 88′), Mirko Boland – Orhan Ademi (Domi Kumbela, 70′). TRAINER: Torsten Lieberknecht
SCHIRI: Guido Winkmann (Kerken)
TORE: 0:1 Karim Bellarabi (31′), 0:2 Domi Kumbela (86′)
ZUSCHAUER: 30.000, ausverkauft – so wurde es vom Werkssprecher vermeldet. 10.000 Gäste würd ich mal schätzen, eher mehr.