 |
Eintrachtstadion, Braunschweig |
 |
Oh, was habe ich mir im Vorfeld anhören müssen, als ich erzählt hatte, dass ich zu den Lions gehen wolle. Nun, ich war noch nie beim American Football und wer weiß, wie lange es dieses Team noch in Braunschweig gibt, wenn man sich den “Erfolg” von diesem Amisport in Deutschland anguckt.
Also gings aus Bavenstedt zum glorreichen Eintrachtstadion, wo direkt ein Parkplatz gefunden wurde, eine Dreiviertelstunde vor Kick-Off, dass soll man mir mal bei einem Eintrachtspiel nachmachen. Überhaupt hörte man zwar die Lautsprecher, aber ansonsten sah es rund ums Stadion nicht nach einer Sportveranstaltung aus.
Nun denn, also mal acht Euro für einen Stehplatz bezahlt, neben dem Wechselgeld noch so ne komische Münze mit einem dicken Mann auf der Rückseite (nein, kein Helmut-Kohl-2-Mark-Stück) bekommen, bei dem sich dann rausstellte, dass man dafür ne Cola bekommen konnte – besten Dank auch.
Ebenfalls konnte ich feststellen, dass das Preisniveau für Essen und Trinken generell mehr oder weniger deutlich unter dem der Eintrachtspiele liegt, merkwürdig. Und die Krakauer gabs auch im Brötchen und nicht mit Toast. Aber das nur am Rande.
Nachdem man sich mal das Getümmel auf der Rampe angeschaut hatte und dabei Augenzeuge werden musste, wie diese Maskotte ein wehrloses Kind missbrauchte, ging es dann mal so langsam in den Neuner – da war ich ja schon ewig nicht mehr und heute hatte ich ihn fast für mich allein.
Klar, was so ein richtige Footballfan ist, der sitzt natürlich, sieht man ja auch besser (keine Ironie!). Aber was da für ein Volk in unserem Wohnzimmer rumrannte, aua.
Den Vogel schoss eine reichlich unhübsche Dame gesetzeren Alters ab, die sich in ein T-Shirt mit dem Aufdruck “Football is SEX” gepresst hatte. Ja, schönen Dank auch, da lass ich mich dann aber doch lieber vom Quarterback fisten.
Was auch noch auffiel: Lärm! Lärm ohne Ende, Anlage auf voll, Kackmusik und dümmliches Dazwischengesabbel. Auf der Laufbahn fünf Trupps Hupfdohlen, ja, da lacht das Päderastenherz. Popcorn und Donuts eignen sich ja auch besser zum Mädels mitschnacken als Bratwurst und Pils.
Ansonsten wurde natürlich alles geboten, was so zu einem ordentlichen Megaevent gehört: Bühne auf der Rampe, Maskotten, Fallschirmspringer (die den Ball bringen), T-Shirt-Kanone, Cheerleader, Animation und so weiter und so fort…
Endlich war es dann 19h00, the show was about to begin, mir war gar nicht klar, dass da gefühlte 100 Spieler pro Team auf den Platz stürmen, sah echt nach einer fetten pitch invasion aus. Zumal die Lions auch noch Pyro zündeten. Naja, bissl Rauch und Feuerwerk (gabs dann später bei den Touchdowns noch paar mal).

Zum Sportlichen: gar nicht soooo langweilig, wie ich befürchtet hatte. OK, Nettospielzeit sind zwölf Minuten pro Quarter, die ständigen Unterbrechungen dauern meist ewig, so dass das erste Viertel dann auch schonmal deutlich über 30 Minuten lang war.
Wär aber durchaus problemlos zu ertragen, wenn nicht jede, wirklich jede Unterbrechung mit ohrenbetäubender Musik untermalt werden müsste. Ey, Lionsfans, macht man das in Amerika so? Also muss man das hier auch so machen, was?
Für mich als Neuling war es ganz nett, dass auch quasi das ganze Spiel vom Stadionsprecher kommentiert wurde, wenn man da jetzt öfter hingehen würde (hab ich nicht vor!), dann nervt das aber wahrscheinlich auch so richtig.
Insgesamt hab ich mir eins der spannenderen Spiele ausgesucht, die Berliner (unterstützt von so gut 100 Schlachernbummlern, die in Sachen Support den Heimfans auch völlig die Show stehlen konnten) legten ordentlich vor und führten nach dem ersten Viertel mit 3:0 und konnten dann sogar noch mit 10:0 in Führung gehen, ehe sich die Lions besannen, dass man ja heute Meister werden könnte.
Amüsant, dass dieser Rückstand in der Pause (da stands dann 13:6 für Berlin) für einiges an Umut sorgte und sogar einige Leute das Stadion verließen. Was für Vorzeigefans, Respekt.
Auch im dritten Viertel musste man sich doch fragen, was eigentlich passieren muss, dass der geneigte Lionsfan durchdreht, die Schiedsrichter waren meiner bescheidenen Meinung jedenfalls grottenschlecht und der Wide Receiver von Berlin beim Touchdown aber sowas von nicht mehr im Feld.
Die Spieler gingen daraufhin auch ordentlich steil, was die ein oder andere Strafe nach sich zog, auf den Rängen jedoch Friede-Freude-Eierkuchen.
Die Lions konnten das Spiel letztendlich noch drehen und in den letzten fünf Nettominuten war dann auch sowas wie Stimmung zu verzeichnen (Nein, sinnloses Getrommel, Getröte und Geklatsche ist KEINE Stimmung! Und schon doppelt nicht, wenn es nicht mal darum geht, die gegnerische Offence zu stören). Als ob die Musik aus den Boxen nicht schon ätzend genug gewesen wäre.
Das Spiel wurde dann tatsächlich noch gewonnen und die Lions dadurch vorzeitig Nordmeister, herzlichen Glückwunsch dazu.
Wäre das Publikum nicht so dermaßen schlecht, und würde man sich mal auf den Sport konzentrieren, statt auf Event und Party, dann könnte ich mir durchaus vorstellen, mir das mal wieder anzutun, aber wird wohl nicht mehr allzulang dauern, dass man dieses Vergnügen auf der Roten Wiese hat, mal sehen, wo dann die ganzen Superfans mit ihren tollen Mützen und T-Shirts sind.
Für mich gings direkt nach Spielende nach Hause, irgendwelche Feierlichkeiten – so sie stattgefunden haben sollten, wollte ich mir wirklich nicht mehr antun.
Und auch die beiden Maskotten – woher kam denn plötzlich Benjamin Blümchen? – machten sich auf den Nachhauseweg, wo sie von einem arbeitslosen Großwildjäger überrascht wurden und nun als Teppich vor irgendeinem Kamin ihr Dasein fristen.

SCORING: 23:20 (0:3, 6:10, 7:7, 10:0)
ZUSCHAUER: 5.509, knapp hundert aus Berlin